Am 21.11. wurde der Boulevardzeitung Augustin, der Schwarzen Frauen Community und #KlappeAuf der Dr.Karl-Renner-Preis verliehen. Wir freuen uns sehr über diese Auszeichnung!

Renner-Preisverleihung
Hier die Laudatio von Dr. Peter Huemer:

Liebe Preistragende, sehr geehrte Frau Stadträtin, meine Damen und Herren!
Lassen Sie mich mit einer Abschweifung vom Thema beginnen – die aber notwendig ist.
Unser Land befindet sich zur Zeit in einem merkwürdigen Aggregatzustand des ständigen seelischen Schwankens. Auf der einen Seite auf Grund des Wahlergebnisses die vage Hoffnung, demnächst könnte in Österreich ein Experiment beginnen, das in Europa neu ist und beispielhaft werden könnte für den Kontinent angesichts kommender Herausforderungen – nicht nur in der Klimafrage. Und gleichzeitig, wenn wir den Spitzenvertretern der Neuen ÖVP zuhören, wie sie der gemeinsamen Zeit mit der FPÖ nachweinen, fragen wir uns: Wie soll ein solches Zukunftsbündnis in Österreich denkbar sein?
Und genau an diesem Punkt, da wir nicht wissen: Wird eine Humanisierung der Verhältnisse im Land stattfinden, werden Angst und Hass ein Stück zurückgedrängt werden? Oder: wird im Gegenteil die Finsternis zunehmen, werden Angst und Hass von Regierenden weiter angestachelt werden? Genau an diesem Punkt findet diese Preisverleihung statt an drei großartige Institutionen, die sich – jeweils auf ihre Art – konsequent dem Widerstand verschrieben haben, dem Widerstand gegen das, was unser Zusammenleben vergiftet, die auftreten „gegen Verhetzung und für ein solidarisches Miteinander“, wie es der Kulturverein „Klappe auf“ programmatisch formuliert.
Ausgezeichnet werden heute mit dem Dr. Karl Renner-Preis 2019 der AUGUSTIN, der sich selber als „erste österreichische Boulevardzeitung“ bezeichnet, der Kulturverein #Klappe auf, dem es darum geht, dass österreichische Filmschaffende die Klappe aufmachen, und der Verein Schwarze Frauen Community, der mit einem Mädchenprojekt begonnen hat mit dem Ziel, schwarzen Kindern in Wien das Leben leichter zu machen. Und nicht nur den Kindern.
Nun zu den drei Preistragenden im Einzelnen: Vor kurzem brachte der AUGUSTIN ein bunt gestaltetes Cover: Kinder Armut Kunst Kultur. Ich meine, in diesem Titel ist viel von dem zusammengefasst, was den AUGUSTIN und dessen Informationskonzept prägt, worüber er berichtet, wofür und wogegen er kämpft. Zunächst: die Kinder und die Armut. Der Text zum gezeigten Cover zitiert eine preisgekrönte Rede beim Wiener Landes-Jugendredewettbewerb 2018, die so beginnt: „Zeig mir das Geldbörserl deiner Eltern und ich zeig dir deine Zukunft.“ Wir wissen es und die Kinder wissen es auch: Bei der Verteilung von Chancen für´s Leben ist diese Gesellschaft zutiefst ungerecht. Was wir nicht wissen: Ob sich das je ändern wird und wer von uns es erleben wird.
Und nun zu Kunst und Kultur, die ja auch Teil dieses Covers sind. Kein AUGUSTIN ohne Gedicht! Das ist ganz wichtig, meine sich. Und – was ich in den letzten Ausgaben schmerzlich vermisst habe, aber diesmal ist sie wieder da: Auf der letzten Seite des Hefts die Graphic Novel, in der uns die Zeichnerin Magdalena Steiner die großen Geschichten der Weltliteratur erzählt. Bis vor kurzem war es das Alte Testament, davor unter anderem „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“, „Ulysses“, Gedichte von Theodor Kramer. Eine wunderbare Auswahl. Zur Zeit sind es wieder Gedichte, in der laufenden Nummer eines über den Gehorsam als Prinzip. Der Dichter ist dagegen. Der AUGUSTIN auch. Wundert Sie das?
Genug der Beschreibung. Der AUGUSTIN ist ein Kulturverein und eine widerständige Zeitung, die gelegentlich in Geldnot gerät, weil sie Subventionen grundsätzlich ablehnt und dies als Voraussetzung für redaktionelle Unabhängigkeit betrachtet. Wenn Sie mehr wissen wollen, dann kaufen Sie ihn. Aber ich hoffe, Sie tun das ohnehin.
Abschließend dazu: Vor einiger Zeit habe ich eine sehr gebildete Bekannte, deren Urteil ich schätze, gefragt, welche Zeitungen sie liest, und sie hat nicht geantwortet New York Times oder Neue Zürcher, sondern: Sie liest nur mehr den AUGUSTIN, aber den regelmäßig. Weil der AUGUSTIN eine Zeitung ist, die informiert. Hat mich beeindruckt, drum hab ich mir´s gemerkt.
Von der Zeitung zu den Filmen. „#Klappe auf“ ist großartig! Es begann mit einer Rede, die der Schauspieler Lukas Miko anlässlich der Verleihung der Österreichischen Filmpreise im Jänner 2018 gehalten hat. Diese Rede sollte, so wie sie ist, als Dokument in die Schulbücher aufgenommen werden. Erlauben Sie, dass ich daraus zitiere: „Seit vielen Jahren wird von Seiten der FPÖ, aber mittlerweile auch von Politikerinnen und Politikern anderer Parteien, unter Mitwirkung der Boulevardmedien – GIFT in unsere Gesellschaft gespritzt . . . Es ist das Gift der Angst, des Neides und des Hasses. Das Gift des Vorurteils und der Verleumdung. Das Gift der Spaltung und Aufteilung der Gesellschaft nach einem Freund-Feind-Schema.“ Und am Ende dieser Rede heißt es: „Leisten wir Widerstand! Lasst uns aufstehen!“
Das geschah dann auch. Mittlerweile haben sich 709 österreichische Filmschaffende der Initiative angeschlossen und viele von ihnen sind aktiv geworden. Es entstand ein kleines Redaktionsteam, alle ehrenamtlich, wohin die FilmemacherInnen Beiträge einschicken, fast alle in der Länge von etwa drei Minuten. Diese Kurzfilme werden in Kinos gezeigt vor Spielfilmen, auf You Tube, auf Festivals und auch auf Leinwänden während der Donnerstagsdemos, solange Türkis-Blau im Amt war. Stilistisch sind die Filme sehr verschieden, das reicht von didaktisch mit Animation und Schriftbild bis zur realen Erzählung eines Tiroler Biobauern.
In etlichen Beiträgen geht es um das Widerlegen von Behauptungen der Regierung Kurz/Strache, andere berichten über die Ausbeutung von Erntehelfern, über den Gemeindebau im Roten Wien in der Zwischenkriegszeit, noch viele andere Themen. Aber die Stoßrichtung ist klar. Bei den Österreichischen Filmpreisen 2019 hat das der Kameramann Gerald Kerkletz so formuliert, ich zitiere nochmals: „Täglich vergiftet die Regierung – in Zusammenspiel mit KronenZeitung, Heute und Österreich – das politische Klima in unserem Land . . . Wo man hinschaut: Diffamierung, Herabsetzung und Entwürdigung aus politischem Kalkül.“ Und zum Schluss: „Verteidigen und entwickeln wir die Demokratie weiter! Machen wir die Klappe auf.“
„Klappe auf“ ist eine zornige Aktion der Zivilgesellschaft mit künstlerischen Mitteln. Die Filme finden Sie im Netz. Dort können Sie sich von deren Qualität und stilistischer Vielfalt überzeugen. Und nochmals: „Klappe auf“ ist großartig!
Auf seine Art wieder ganz anders, nicht so vom Zorn geschüttelt, aber ebenfalls eindrucksvoll, ist der dritte Preisträger des heutigen Tages. Es handelt sich wiederum um eine Aktion der Zivilgesellschaft,um den Verein Schwarze Frauen Community. Dazu ein verheerender Hinweis: Wenn Sie bei Google Schwarze Frauen eingeben, dann stoßen Sie, ehe Sie diesen Verein finden, zunächst auf Angebote: Frauen aus Afrika, aufgeschlüsselt nach Altersgruppen, allenfalls mit „Qualitätsergebnissen“. Allein das reicht schon als Begründung, warum es diesen Verein Schwarze Frauen Community in Wien geben soll.
Es gibt ihn seit 2003 und es geht darum, ich zitiere: „gemeinsam Selbstbewusstsein, Selbstbestimmung und Selbstorganisation schwarzer Frauen, Kinder und Jugendlicher zu fördern und zu unterstützen.“ Dem dient eine Vielzahl von Aktivitäten. Es geht um soziale Beratung für in Wien lebende schwarze Frauen, es gibt darüber hinaus regelmäßige Treffen im WUK, es gibt Frauenprojekte im Bereich Gesundheit, Kreativität, Arbeit, Antidiskriminierung. Mädchen können Selbstverteidigung lernen, Mädchen und Buben werden mit Genderfragen konfrontiert, alles in allem: sie werden dabei unterstützt, sich der Realität schwarzer junger Menschen in Österreich zu stellen. Es geht um Identität, um die Bilder in den Köpfen, in den eigenen und in den fremden, um Bewusstseinsbildung. Man kann das als Selbsthilfegruppe schwarzer Frauen, gemeinsam mit weißen, sehen.
Es gibt den Sisters Brunch, es gibt ein Kinderbuch des Vereins „Meine Traum-Familie“, Workshops werden angeboten, in denen sich die Teilnehmenden aktiv mit eigenen Erfahrungen, aber auch mit stereotypen Bildern über andere befassen. Natürlich sind Sexismus und Rassismus wichtige Themen. Leider – aber es geht eben um Auseinandersetzung mit der Gesellschaft, so wie sie ist. Und es geht um Hilfe bei dieser Auseinandersetzung. Und die ist wichtig.
Zum Schluss: Ich hoffe, Sie kennen die Geschichte vom Salomonischen Urteil. Sie sollten sie jedenfalls kennen, früher haben das die Kinder in der Schule gelernt. Der AUGUSTIN weiß sie natürlich, weil der AUGUSTIN eine gebildete Zeitung ist. Und überdies hat Magdalena Steiner die Geschichte von den zwei Müttern, die um ein Kind streiten, in ihrer Graphic Novel über das Alte Testament gezeichnet. Es geht darin um Salomos Weisheit. Warum ich darauf komme: Die Jury für die Dr. Karl Renner Preise 2019 hat vor einigen Monaten ein wahrhaft weises und salomonisches Urteil gefällt, als sie sich für diese drei Preisträger entschieden hat. Und was dazukommt und für alle drei besonders erfreulich ist, weil sie es sicherlich dringend brauchen können: mit der Ehre ist auch noch Geld verbunden! So preise ich abschließend nicht nur die ausgezeichneten Institutionen, sondern auch die Jury, die sich in ihrer Weisheit für diese drei entschieden hat.
Ich gratuliere herzlich.